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Auf der Suche nach dem goldenen Phönix - Teil 1 (von Gaby Bleckmann)
Der Zauberwald. Nur Wenige haben seine unvergleichliche Schönheit je erblickt. Tiere, die wir Menschen als Hirngespinste bezeichnen, leben dort zusammen mit Völkern, die von Menschen aus den anderen Teilen der Welt längst verdrängt wurden. Vieles, was heutzutage ins Reich der Märchen und Sagen verbannt wird, ist dort so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen.
Einer der wenigen Menschen, die den Zauberwald betreten haben, war Viktor von Volkhov und er hatte einen großen Traum, einen grade zu gigantischen Traum. Die magische Erde, in der die Wurzeln der Bäume des Zauberwaldes ruhten, hatte ihn auf diese Idee gebracht. Diese Erde war so unendlich fruchtbar, dass nahezu alles, was man einpflanzte, unglaubliche Erträge einbrachte. Lange rechnete von Volkhov nach, was es kosten würde, den Zauberwald abzuholzen und an seiner Stelle Fabriken und Plantagen zu errichten. Wenn er das Holz zu einem guten Preis verkaufen könnte, besagte die Rechnung, würde er Gewinn machen, noch bevor die erste Fabrik fertiggestellt war. Auch hatte er vor, die Bewohner des Zauberwaldes zu versklaven, was den Profit weiter ins Unermeßliche steigern sollte. Viktor von Volkhov würde reich werden. Reicher als die Queen, reicher als Bill Gates, der reichste Mensch der Welt. Schon malte er sich aus, was er sich von dem vielen Geld alles kaufen könnte: schicke Autos, teure Jachten und luxuriöse Villen. Doch bei all den Träumereien vergaß er nicht, deren Verwirklichung vorzubereiten.
Im Zauberwald herrschte eine ungewohnte Aufregung, die von den Gerüchten, die aus der Außenwelt kamen, nur noch gesteigert wurde. Die Oberhäupter der vielen verschiedenen Völker, die diesen märchenhaften Wald bewohnten, trafen sich in Taralyndalia, der Stadt der Waldelfen, zu einer Krisensitzung. Da kamen riesige Baumwesen, zarte Blumenelfen, Zwerge, Zentauren, Quellnymphen, Wassergeister, Vogelmenschen, Faune, Feen, Einhörner…, kurz, alles was im Zauberwald an Lebewesen zu finden war. Selbst ein Felsentroll aus dem Norden beteiligte sich an der hitzigen Diskussion über die Zukunft der letzten Zuflucht für magische Geschöpfe. Das Treffen unter der Leitung König Tarandolfs, dem Herrscher über das Volk der Waldelfen, war einzigartig in der zehntausendjährigen Geschichte des Zauberwaldes. Zwar hatte es nie Krieg zwischen den einzelnen Völkern gegeben, doch an diesem Tag fanden sie sich zum ersten Mal zusammen, denn es war klar, dass sie Alle nur dann überleben konnten, wenn sie zusammenhielten. Schnell einigte man sich darauf, einen Krieg nach Möglichkeit zu vermeiden, gegen die Waffen der Menschen waren die Waffen der Zauberwaldbewohner machtlos. Nur wie sollten sie dann ihre geliebte Heimat retten? Ideen wurden besprochen und wieder verworfen, es schien unmöglich zu sein. Dann sprach jemand vom golden Phönix, dem Herrscher über den gesamten Zauberwald. Wenn es ein Wesen gab, dessen magische Kräfte groß genug waren, um ein Wunder zu vollbringen, dann konnte nur er es sein. Doch niemand wußte, wo sich der goldene Phönix aufhielt und selbst wenn, es war bei Todesstrafe verboten, ihn zu suchen. Sofort wurde nach den berühmtesten Helden geschickt, um sie mit der Suche zu beauftragen, doch sämtliche Boten kehrten unverrichteter Dinge zurück. Alle Helden weigerten sich diesen gefährlichen Auftrag auszuführen. Die heftige Diskussion entbrannte erneut. Wer sollte den goldenen Phönix finden, wenn nicht einer der großen Helden? Die Könige und Fürsten waren verzweifelt, doch da ertönte auf einmal ein zartes Stimmchen, das selbstbewußt verkündete: >>Ich gehe!<< Alle drehten sich überrascht um, die Stimme gehörte zu Taranee, der hübschen Tochter König Tarandolfs. Sie hatte in einer Ecke des Saales gesessen und für die Gäste Harfe gespielt, nun jedoch war sie aufgestanden und blickte mit herausfordernd funkelnden Augen in die Runde. >>Aber Taranee, du bist eine Prinzessin!<<, tadelte ihr Vater sie, >>So etwas schickt sich doch nicht!<< >>Es ist mir egal, ob sich das schickt, oder nicht!<<, platzte es aus Taranee heraus, >>Hier geht es um Leben und Tod!<< >>Taranee, es reicht, dein Betragen ist unmöglich! Geh auf dein Zimmer, wir sprechen morgen darüber!<<, sagte König Tarandolf streng. Wütend rauschte Taranee aus dem Saal und polterte die Treppe zu ihrem Turmzimmer hinauf. Wollte ihr denn niemand zuhören? Hätte einer ihrer sechs Brüder gesagt, er wolle den goldenen Phönix suchen, so wäre er gelobt worden, aber sie… sie war ja nur ein Mädchen. Sie merkte es zuerst selbst nicht, doch tief in ihrem Innern war die Rebellin erwacht.
Die Strafpredigt am nächsten Morgen ließ Taranee scheinbar gleichgültig über sich ergehen, zu sehr war sie mit ihrem Plan beschäftigt. Nach außen hin tat sie so, als habe sie ihre Kühnheit vom Vorabend vergessen, doch heimlich bereitete sie alles für ihre lange Reise vor. Sie versteckte das Zaumzeug ihres Pferdes in der Nähe der Koppel, schnürte ein kleines Bündel mit Proviant, und schmuggelte ein langes Seil in ihr Zimmer. Die Festung der Waldelfen bestand, wie sollte es anders sein, zum größten Teil aus Bäumen, die wie gewaltige Türme in den Himmel ragten. Das Zimmer der Prinzessin lag in der Krone des westlichsten Baumturmes, direkt über der Pferdekoppel, was Taranees Fluchtplan wesentlich einfacher gestaltete. Am Abend ließ sie sich wie üblich von ihrer Zofe die langen kastanienbraunen Haare kämmen und flechten und ging dann ohne Widerrede pünktlich zu Bett. Die Zofe wunderte sich zwar darüber, aber sie schob das mustergültige Verhalten der Prinzessin darauf, dass diese endlich vernünftig geworden war. Doch kaum hatte sie das Licht gelöscht und den Raum verlassen, sprang Taranee aus dem Bett und zog sich lautlos wieder an. In der grünen Uniform eines Waldelfensoldaten stieg sie aus dem Fenster und kletterte vorsichtig an dem Seil nach unten. Leise pfiff sie nach ihrer Fuchsstute, zäumte sie auf und ritt davon. Sie wunderte sich, dass sie niemand daran hinderte, aber vielleicht war es auch besser so. Außer Hörweite der Waldelfenfestung trieb sie ihr Pferd zu einem schnellen Galopp, das Abenteuer hatte begonnen.
Auf der Suche nach dem goldenen Phönix - Teil 2
Seit Anbeginn der Zeiten wird der Zauberwald vom Volk der Waldelfen bewohnt. Dieser Wald, die letzte Zuflucht für magische Geschöpfe und Fabeltiere, war durch die Jahrtausende immer ein Ort des Friedens gewesen, doch diese Idylle ist nun in großer Gefahr. Ein skrupelloser Geschäftsmann will den Wald abholzen und an seiner Stelle eine riesige Fabrik errichten.
Um das zu verhindern begibt sich die junge Waldelfenprinzessin Taranee heimlich auf die lange und gefahrvolle Suche nach dem goldenen Phönix.
Seit Tagen schon streifte Taranee begleitet von ihrer roten Stute durch das nahezu undurchdringliche Dickicht des nördlichen Zauberwaldes. Hier an der Grenze zu den Felsenbergen hatte der Zauberwald nichts von der tropischen Schönheit seiner südlichen Gefilde, die knorrigen Bäume hier zierte nicht ein grünes Blatt und das Unterholz bestand nur aus verfilztem grauen Dornengestrüpp. Fluchend kämpfte sich Taranee durch die meterhohen dornenbewehrten Gestrüppmauern. Sie war erschöpft, zerkratzt, hungrig, durstig und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Irgendwann blieb auch ihr Pferd vor Erschöpfung einfach stehen, sie zog verzweifelt an den Zügeln, doch sie konnte das Tier nicht dazu bewegen weiter zu gehen. Selbst zu schwach um sich auf den Beinen zu halten, brach Taranee zusammen und alles um sie herum versank in tiefste Dunkelheit.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie in einem mit weißem Leinen bezogenem Bett, doch viel mehr konnte sie nicht erkennen, denn der Raum, in dem sie sich befand, war abgedunkelt. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, doch die Geräusche, die zu ihr drangen, gedämpftes Hufgeklapper und ein leises Rauschen (war es Wasser oder Laub?), erinnerten sie an daheim. Nahezu lautlos öffnete sich die Tür und eine junge Frau, deren langes silbrig-weißes Haar hell im Dämmerlicht des Raumes schimmerte, trat ein. Taranee starrte die Frau verwundert an, denn von der Taille abwärts hatte sie den Körper eines weißen Pferdes. >>Was guckst du denn so?<<, fragte die Fremde,>>Hast du noch nie einen Zentaur gesehen?<< >>Nein, ich dachte immer Zentauren gibt es nur im Märchen.<<, antwortete Taranee. Die Zentaurenfrau lachte:>>Im Märchen?!?! Wir sind doch hier im Zauberwald!<< >>Ach ja, das hatte ich ganz vergessen, im Zauberwald ist einfach nichts unmöglich.<<
Durch die gute Pflege der Zentaurenfrau kam Taranee sehr schnell wieder auf die Beine und ihre schlimmen Wunden von den riesigen Dornen verheilten spurlos. Kaum durfte sie aufstehen, suchte sie nach ihrem Pferd. Sie fand die Stute mit glänzendem Fell frei auf einer kleinen Wiese grasen, von den Strapazen der Reise war ihr nichts mehr anzusehen. Taranee war froh darüber, ihr Pferd in solch exzellenter Verfassung zu sehen, denn sie mußte die Zeit, die sie durch ihre Verletzungen verloren hatte möglichst schnell wieder aufholen. So etwas konnte ihr nur gelingen, wenn sie über ein gutes und gesundes Pferd verfügte. Sie wollte gerade aufbrechen, als ein großer Zentaur aus der Tür des kleinen Wohnhauses trat. Er war von beeindruckender Gestalt, mit seinem kräftigem menschlichen Oberkörper auf dem Leib eines imposanten falbfarben Pferdes. >>Wo willst du denn hin, daß du es so eilig hast, das du dich noch nicht einmal bei deinem Retter bedankst?<<, rief er ihr hinterher. Sie antwortete:>> Ich muß unbedingt den goldenen Phönix finden!<< Sein Gesicht verfinsterte sich. >>Warum suchst du nach jenem Wesen, welches über das Schicksal dieses Waldes wacht? Weißt du nicht, daß das verboten ist?<< >>Sicher weiß ich das, aber wir haben sozusagen einen Notfall! Ist dir noch nicht zu Ohren gekommen, daß unser Wald in großer Gefahr ist?!?<< Taranee war kurz davor die Beherrschung zu verlieren. Der Zentaur starrte sie fassungslos an. >>Ja wenn das so ist<<, stammelte er, >>dann werde ich dich auf deiner Suche begleiten. Eigentlich sollte ich die grünen Lichtungen nie mehr im Leben betreten, denn meine Herde hat mich verbannt, aber ich bin sicher, daß es bald viele Tote geben wird, wenn ein Krieg ausbricht und ich den „Sineach“ nicht gefunden habe. Und wer wüßte ein solches Geheimnis besser als der goldene Phönix!<< Er verschwand im Haus und kehrte kurz darauf mit einem eilig zusammengeschnürtem Bündel zurück. >>Na, dann wollen wir uns mal auf den Weg machen!<<, sagte er unternehmungslustig,>>Übrigens, mein Name ist Heron.<< Taranee antwortete, nun etwas freundlicher: >>Es freut mich, dich kennen zu lernen, ich heiße Taranee.<< >>Ich habe schon von dir gehört, du bist die Tochter des Waldelfenkönigs, nicht wahr?<< Sie nickte. Heron sah nach dem Stand der Sonne und meinte: >>Wir sollten nun schnell aufbrechen, bevor es zu spät ist.<< Und so begaben sie sich zu zweit auf den gefährlichen Weg ins Ungewisse.
Gegen Abend erreichten sie die fruchtbareren Gegenden des Zauberwaldes, wo sie an einer kleinen, von Weiden umgebenen Quelle übernachteten. Nach einem kärglichem Nachtmahl rollte sich Taranee in ihre Decke und schlief ein. Heron hatte die erste Wache in dieser Nacht und er nutzte die Zeit, um die Sterne zu beobachten. Die Zeit kroch dahin wie eine schläfrige Schnecke und der Himmel wollte dem Zentaur nicht eines seines Geheimnisse preisgeben. Es war inzwischen Mitternacht und Heron wollte gerade Taranee wecken, als er plötzlich von einer mächtigen Vision überwältigt wurde. Er sah eine Frau vor sich stehen, sie wirkte irgendwie seltsam, so als bestünde sie aus Nebel. Mit glockenheller Stimme sagte sie einen Vers auf. Es klang wie eine Prophezeiung:
Zwei Menschen aus dem Kreis der Steine
Mit gutem Herz und edlem Blut
Bringen alten Streit ins Reine
Durch sie wird alles wieder gut
Auf der Suche nach dem goldenen Phönix - Teil 3
Auf ihrer verzweifelten Suche nach dem goldenen Phönix begegnet die Waldelfenprinzessin Taranee an der Grenze zu den Felsenbergen dem verbannten Zentaur Heron, der sich ihr anschließt. Gemeinsam reisen die beiden durch das karge Land im Norden des Zauberwaldes, stets in der Hoffnung, das mächtigste Wesen zu finden und ihre geliebte Heimat zu retten. Dann hat Heron während der nächtlichen Wache eine seltsame Vision.
Zwei Menschen aus dem Kreis der Steine
Von gutem Herz und edlem Blut
Bringen alten Streit ins Reine
Durch sie wir alles wieder gut
Taranee wiederholte ein wenig ungläubig die Worte der Prophezeiung, die Heron in der Nacht erhalten hatte, und starrte dabei nachdenklich in ihren Teebecher. Es war noch früh am Morgen und sie war müde, weil sie die letze Hälfte der Nacht Wache gehalten hatte. Er wirkte nicht viel munterer, vermutlich lag es an der Vision, von der er ihr gerade erzählt hatte und nach dem, was sie über solche Dinge gehört hatte, konnte sie froh sein, dass er so munter war. >>Was hältst du davon, Taranee?<<, drang seine Frage durch ihre Gedanken. Sie wußte nicht so recht, was sie antworten sollte, deshalb nahm sie einen Schluck Tee, um ein wenig Zeit zum Überlegen zu gewinnen. Als das nicht ausreichte, knabberte sie verlegen an dem harten Stück Brot in ihrer Hand, dann sagte sie unsicher: >>Ich weiß es nicht. Wenn jener, der dir diese Vision schickte, unser Freund ist, dann sollten wir seinen Rat befolgen und die Menschen aus dem Steinkreis suchen, wenn er aber unser Feind ist…<< >>Du hast ja Recht.<<, seufzte Heron erschöpft, >>Aber wir haben keine Ahnung von wem dieser Hinweis stammt. Und ich verspüre nicht die geringste Lust, wegen einer solchen Vision in Schwierigkeiten zu geraten, zumal ich mir nicht einmal sicher bin, ob es nicht doch nur ein harmloser Traum war.<< >>Wie viele von diesen Steinkreisen gibt es eigentlich im Zauberwald?<<, erkundigte sich Taranee neugierig. Herons Antwort war wenig ermutigend: >>Ungefähr 300 verschiedenster Größe in allen Gegenden des Zauberwaldes.<< Ihr stockte der Atem, wie alle Waldelfenkinder hatte Taranee wenig über Geographie gelernt, doch sie ahnte, dass es zuviel Zeit kosten würde, jeden Steinkreis aufzusuchen. >>Woher wissen wir denn, welcher von denen der Richtige ist?<< Heron zog eine zerknitterte Landkarte aus seinem Bündel und breitete sie aus. >>Auf dieser Karte sind alle Steinkreise und ihre Verbindungen eingezeichnet und wenn ich es richtig sehe, dann gibt es im ganzen Zauberwald nur einen einzigen davon mit einer Verbindung zur Welt der Menschen.<< Und wo liegt der?<< Taranee rutsche ziemlich unruhig und erwartungsvoll auf ihren Platz herum. >>Nicht allzu weit von hier, aber mitten im Labyrinth von Xeyverianth. Es wird nicht leicht sein dort hin zu kommen.<<, antworte Heron. Bei diesen Worten wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht der jungen Waldelfe. Viel hatte sie schon über das Labyrinth von Xeyverianth gehört und es war nichts Gutes gewesen. >>Müssen wir da wirklich rein?<<, fragte sie ängstlich. Der Zentaur sah sie ernst an: >>Sieht so aus, als hätten wir keine andere Wahl, wenn wir den Zauberwald retten wollen, aber glaube mir, auch ich betrete diesen Ort nur äußerst ungern.<< Damit war die Diskussion beendet, sie packten ihre Sachen und machten sich auf den Weg.
Mit jedem Schritt, mit dem sie dem Labyrinth von Xeyverianth näherten, wurde das Gelände unwegsamer und steiler, Herons Hufe rutschen über Schutt und Geröll und selbst die zierlichen Waldelfenfüße Taranees fanden kaum noch Halt. Die rote Stute hatten sie zurücklassen müssen, womit Taranee gar nicht einverstanden gewesen war, doch schließlich hatte sie eingesehen, dass dies die beste Lösung war. Sie liebe ihr Pferd mehr als alles Andere und wollte auf keinen Fall, dass ihm etwas zustieß, also hatte sie das Tier schweren Herzens nach Hause geschickt. Mit einem Mal war ihr klar geworden, wie gefährlich das Abenteuer eigentlich war, auf das sie sich so leichtfertig hatte eingelassen, und nun war es zu spät um umzukehren, sie war zu weit gegangen. Angst und Verzweiflung erfüllten ihr Herz. Würde sie ihre treue rote Stute jemals wiedersehen? Oder ihren Vater und ihre Brüder? Würde sie jemals wieder im Schatten der Bäume von Taralyndalia liegen und von wilden Abenteuern träumen? Der Ort, an dem sie ihre wohl behütete Kindheit verbracht hatte, schien noch weiter entfernt zu sein als die Sterne. Plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen, sie achtete nicht darauf, wo sie hintrat, verlor den Halt und schlitterte in die Tiefe. Steine und Geröll polterten hinter ihr her und begruben sie unter sich.
Der Fremdenführer redete und redete, doch Mara und ihr Bruder Nigel hörten längst nicht mehr zu. Heimlich stahlen sie sich von der Gruppe fort, um die geheimnisvolle Höhle auf eigene Faust zu erkunden. Noch immer waren sie wütend auf ihre Eltern, die sie während der Ferien in diese gottverlassene Gegend abgeschoben hatten. Sie hatten nach London fahren wollen, doch ihr Vater, Graf von Greifenstein, hatte darauf bestanden, dass seine Kinder ihre Ferien wie andere Kinder auch im einem Ferienlager verbrachten. So waren Mara und Nigel in diesem Camp gelandet, dessen komplettes Ausflugsprogramm aus langweiligen Besichtigungen bestand. Tiefer und tiefer traten sie in die Höhle, deren Wände und Decke mit phantastischen Felsmalereien geschmückt waren, die ein Stück weiter von kunstvoll gemeißelten Ornamenten abgelöst wurden. Irgend etwas sagte den Beiden, dass nicht viele Besucher diesen Teil der Höhle besichtigten und dann sahen sie den Steinkreis. Er war nicht groß, aber er schien sie magisch anzuziehen. Während Nigel versuchte auf eine der Steinsäulen zu klettern und Mara die seltsamen Zeichnungen untersuchte, begann der Steinkreis sich zu drehen, erst langsam, dann schneller und schneller und als er schließlich anhielt, bemerkten die Geschwister, dass er größer geworden war und sich plötzlich unter freiem Himmel befand. Was war geschehen?
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